Bundestag der Schande: Berliner Politik instrumentalisiert das Gedenken ans Kriegsende
Russland und Weißrussland sind nicht zur Gedenkfeier im Bundestag eingeladen. Das ist eine Schande. Deutschland verdankt der Sowjetunion sowohl die Befreiung vom Faschismus als auch die Wiedervereinigung. Das historische Bewusstsein der deutschen Bevölkerung ist besser entwickelt als das ihrer Politiker.
Vorab: Dieser Beitrag von Gerd Ewen Ungar wurde bei RT deutsch erstveröffentlicht.
Der Bundestag verzichtet hinsichtlich der Gedenkveranstaltung zum Ende des Zweiten Weltkriegs in diesem Jahr auf die explizite Einladung des russischen und des weißrussischen Botschafters. Der Bundestag verweist zur Begründung auf eine Handreichung des Auswärtigen Amts. Dort wird zudem empfohlen, im Fall des uneingeladenen Erscheinens von Vertretern Russlands und Weißrusslands zu Gedenkfeierlichkeiten vom Hausrecht Gebrauch zu machen. Konkret heißt das, das Auswärtige Amt empfiehlt den Rauswurf von Diplomaten der Länder, die maßgeblich zur Befreiung Deutschlands vom Faschismus beigetragen und zudem die größte Last des Zweiten Weltkrieges zu schultern hatten. Die moralische Verwahrlosung der politischen Eliten Deutschlands zeigt sich in diesem Vorgang ganz offen. Es ist eine Schande — eine deutsche Schande (1).
Das gilt selbst dann, wenn man sich allen Narrativen der Bundesregierung zum Ukraine-Konflikt anschließt und der deutschen Staats-Propaganda in der Darstellung des Konflikts folgt, denn die historische Leistung der Roten Armee bei der Befreiung Deutschlands vom Faschismus steht mit dem Ukraine-Krieg in keinem Zusammenhang.
Dass bundesdeutsche Politik (a1) beides aber vermischt und das Andenken an das Ende des Zweiten Weltkriegs politisiert, zeugt von tiefer Niedertracht bundesdeutscher Politiker, ist würdelos und ohne jeden Respekt gegenüber Russland und Weißrussland. Auf dem heutigen Staatsgebiet Russlands, schlimmer aber noch in Weißrussland hat die deutsche Wehrmacht auf grausamste, barbarische Weise gewütet. Dass bundesdeutsche Politik von zivilisierten Umgangsformen auch heute noch nicht sehr viel hält, zeigt der Umgang mit russischen und weißrussischen Diplomaten.
Es ist zudem ein Zeichen von Undankbarkeit und Geschichtsvergessenheit, denn Deutschland verdankt Russland als Rechtsnachfolger der Sowjetunion nicht nur die Befreiung vom Faschismus, sondern auch die Wiedervereinigung. Es war die Sowjetunion, es war Michail Gorbatschow, der die Idee zur Wiedervereinigung Deutschlands hatte und sie vorbehaltlos unterstützte. Frankreich und Großbritannien waren wenig begeistert. Die USA witterten vor allem die Chance, einen Vorteil für sich herauszuschlagen und ihren Einfluss nach Osten auszudehnen. Das Staatswohl Deutschlands hatte einzig Gorbatschow im Sinn.
Daher der bundesdeutschen Politik nochmals zur Erinnerung: Nach der bedingungslosen Kapitulation Deutschlands wurde dem Land ein „Diktatfrieden“ aufgezwungen. Es wurde in Sektoren und dann in zwei nicht souveräne Staaten unterteilt. Beide Länder wurden unter strenge Aufsicht gestellt und blieben bis 1990 von den Siegermächten besetzt. Westdeutschland ist es heute noch. Lediglich Ostdeutschland ist frei von Besatzungstruppen.
Es war Gorbatschow, der darauf vertraute, Deutschland habe seine Lektion aus der Geschichte gelernt und könne in die Souveränität entlassen werden. Die Pläne zur Aufrüstung, die Absage an Diplomatie und ganz aktuell die Ausladung des russischen Botschafters zeigen deutlich, Gorbatschow hat sich bitter getäuscht. Die politischen Eliten Deutschlands haben nichts aus der Geschichte gelernt, sind wieder zu Krieg und Eskalation bereit und brechen das zur Wiedervereinigung der Welt gegebene Versprechen, dass von Deutschland nur noch Frieden ausgehen werde.
Das politische Deutschland war geistig noch längst nicht so weit gereift, dass es zum verantwortungsvollen Umgang mit dem Geschenk der Wiedervereinigung sittlich befähigt gewesen wäre, ist die Erkenntnis. Deutschland kann gegenüber der moralischen und politischen Verantwortung, die ihm aus seiner Größe erwächst, nicht bestehen, machen die vergangenen 35 Jahre deutlich.
Allerdings sind das historische Bewusstsein und das Gefühl für eine besondere Verantwortung gegenüber der eigenen Geschichte unter den Deutschen, also in der deutschen Gesellschaft, wesentlich besser ausgeprägt als im Deutschen Bundestag und in den Spitzen der etablierten Parteien.
Bei einem Besuch des russischen Botschafters einer Gedenkveranstaltung in Seelow zum Andenken an die Schlacht um die Seelower Höhen war vom Hass und der Hetze der Bundesregierung gegen Russland offenbar nichts zu spüren (2). Die Berliner Zeitung erklärt Russlands Botschafter Sergei Netschajew sogar zum „Star von Seelow“ (3, b1):
In den sozialen Netzwerken distanzieren sich die Deutschen vom aggressiven, konfrontativen Kurs ihrer Regierung. Auf Plattformen wie X entschuldigen sie sich für das Verhalten ihrer Politiker. Es sind die Bürger Deutschlands, die klar erkennen, dass der von bundesdeutscher Politik eingeschlagene Weg, das Schüren von Hass verbunden mit dem Willen zur Eskalation, in eine Sackgasse und schlimmstenfalls erneut ins Verderben führt (4, 5).
Am Gedenken des Endes des Zweiten Weltkriegs zeigt sich deutlich, dass ein tiefer Riss das politische Establishment von den Bürgern trennt. Die Berliner Politik repräsentiert auch in diesem Zusammenhang nicht den Willen der Deutschen. Die bundesdeutsche Politik führt ein Eigenleben, das sich von der gesellschaftlichen Realität in Deutschland gelöst hat. Das ist Ausdruck einer tiefen politischen Krise. Den Deutschen fehlt die politische Repräsentation im Parlament.
Vor allem aber zielt die bundesdeutsche Politik im Gegensatz zur deutschen Gesellschaft erneut nicht auf Frieden und Aussöhnung, sondern ist willens, bereits gemachte Fehler noch einmal zu wiederholen. Der Mehrheit der Deutschen ist noch im Gedächtnis, welche verheerenden Folgen die deutsche Aggression gegenüber den Völkern der Sowjetunion hatte. Die bundesdeutsche Politik hat es vergessen. Dafür wird sie zu Recht von den eigenen Bürgern verachtet (6).
Hinzufügung von Peds Ansichten:
Gerd Ewen Ungar kann uns mit seinem Beitrag mehr Mut und Zuversicht geben, als es auf den ersten Blick erscheinen mag. Trotz des enormen Aufwandes im Rahmen einer großangelegten psychologischen Kriegsführung unterwerfen sich die Menschen eben nicht in der erwarteten Art und Weise den gewollten Narrativen. Der Frieden ist tief in uns. Er ist wohl viel tiefer in uns als der Krieg. Denn der Gedanke des Friedens bedarf keiner Propaganda, wie es für den Kriegsgedanken zwingend erforderlich ist.
Es gibt auch viele, viele Politiker im regionalen und erst recht lokalen Bereich, denen der Friedensgedanke weit wichtiger ist als die Kriegsagenda der gleichgeschalteten Berliner Politik. Das zeigen die Stellungnahmen von Lokalpolitikern im Umfeld der Gedenkveranstaltungen zu den mörderischen Kämpfen um die Seelower Höhen in diesem Jahr. Auch haben mehrere Medien — obwohl auf systemischer Ebene mit Recht als Gleichstrommedien bezeichnet — diese Stellungnahmen nicht totgeschwiegen (2i). Menschen sind es letztlich, welche Politik betreiben. Die Dinge sind eben nicht so klar, wie wir manchmal glauben, und das ist gut so!
Bauen wir auf diesen Signalen auf und gestalten aktiv und friedlich mit unseren Mitteln die Politik in Deutschland. Traditionell ist der Ostermontag der Tag der Ostermärsche. Ein Tag, an dem wir den Frühlingsspaziergang mit Teilnahme an Friedensveranstaltungen verbinden können (a2). In diesem Sinne wünsche ich allen Menschen ein friedliches, besinnliches, Hoffnung und Zuversicht gebendes Osterfest.
Bitte bleiben Sie achtsam, liebe Leser.
Anmerkungen und Quellen
(Allgemein) Dieser Artikel von Peds Ansichten ist unter einer Creative Commons-Lizenz (Namensnennung — Nicht kommerziell — Keine Bearbeitungen 4.0 International) lizenziert. Unter Einhaltung der Lizenzbedingungen — insbesondere der deutlich sichtbaren Verlinkung zum Blog des Autors — kann er gern weiterverbreitet und vervielfältigt werden. Bei internen Verlinkungen auf weitere Artikel von Peds Ansichten finden Sie dort auch die externen Quellen, mit denen die Aussagen im aktuellen Text belegt werden.
(a1) Im Originalartikel schreibt Gerd Ewen Ungar wiederholt von „deutscher Politik“, meint aber natürlich konkret die bundesdeutsche Politik. Entsprechend ist — ohne Sinnentstellung des Originaltextes — in der Artikelübernahme der Begriff „bundesdeutsche Politik“ verwendet worden.
(a2) So wird der Autor auch dieses Jahr am traditionellen Ostermarsch teilnehmen, der am Montag 10 Uhr auf dem Dresdner Neumarkt (Frauenkirche) beginnen wird.
(1) 17.04.2025; ARD-Tagesschau; Bundestag schließt Russland von Gedenken aus; https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/bundestag-weltkriegsgedenken-russland-100.html
(2, 2i) 16.04.2025; Berliner Kurier, BK/sth, dpa; Russlands Botschafter besucht Gedenkfeier: „Ich fühle mich bei ihnen wie zu Hause“; https://www.berliner-kurier.de/berlin/brandenburg/russlands-botschafter-besucht-gedenkfeier-ich-fuehle-mich-bei-ihnen-wie-zu-hause-li.2317409
(3) 16.04.2025; Berliner Zeitung; Nicolas Butylin; 80 Jahre Kriegsgedenken: Russlands Botschafter Netschajew ist der Star von Seelow; https://www.berliner-zeitung.de/politik-gesellschaft/geopolitik/80-jahre-kriegsgedenken-russlands-botschafter-netschajew-ist-der-star-von-seelow-li.2316625; Artikel hinter Bezahlschranke
(4) 17.04.2025; X; Kristian_B; https://x.com/Dr_C_Becker/status/1912814548685357163
(5) 17.04.2025; X; kinra; https://x.com/kinra/status/1912812591312753143
(6) 17.04.2025; RT deutsch; Gerd Ewen Ungar; Bundestag der Schande: Politik instrumentalisiert das Gedenken ans Kriegsende; https://freedert.online/meinung/242675-bundestag-schande-politik-instrumentalisiert-gedenken/
(b1) 16.04.2025; X; Berliner Zeitung; Seelower Höhen, Gedenken; https://x.com/berlinerzeitung/status/1912500322460717155
(Titelbild) Gedenkstätte Seelower Höhen, Gräberfeld von 66 sowjetischen Soldaten, die bei der Schlacht ums Leben kamen; Autor: Assenmacher (Wikimedia); 27.04.2024; https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Gedenkst%C3%A4tte_Seelower_H%C3%B6hen_Grabfeld_mit_66_Soldaten.JPG; Lizenz: Creative Commons 3.0
„Der Bundestag verzichtet hinsichtlich der Gedenkveranstaltung zum Ende des Zweiten Weltkriegs in diesem Jahr auf die explizite Einladung des russischen und des weißrussischen Botschafters. Der Bundestag verweist zur Begründung auf eine Handreichung des Auswärtigen Amts. Dort wird zudem empfohlen, im Fall des uneingeladenen Erscheinens von Vertretern Russlands und Weißrusslands zu Gedenkfeierlichkeiten vom Hausrecht Gebrauch zu machen.“
Nachdem ich diese Einleitung gelesen hatte, brauchte ich den Rest nur noch zu überfliegen. Warum? Rein zufällig hatte ich beim Auf- bzw. Ausräumen ein kleines Büchlein unter die Finger bekommen, eines aus dem Fundus meiner schon lange verstorbenen Frau, einer Geschichtslehrerin. Wollte es schon entsorgen, das Machwerk herausgegeben vom Volksbund deutscher Kriegsgräberfürsorge, unbesehen und erst recht ungelesen. Aber dann …
Auf dem Einband des dünnen Paperbacks außen stand: „Strategien der Arbeit für den Frieden“. Auf der Rückseite dann zuoberst ein Zitat von Papst Paul VI „Um zum Frieden zu gelangen, zum Frieden erziehen“ und dann ein kurzes Resumée über die ‚Broschüre‘: „… Sie regt zu Gedanken über die Notwendigkeit des Friedens und über geeignete Schritte zu seiner Erhaltung an…“ Das Geleitwort dann innen. Vom Bundespräsidenten a.D., vor fünfundvierzig Jahren: Walter Scheel, er gibt zu bedenken: „Das Leben in Frieden muß Tag für Tag von neuem gestaltet werden, von neuem umgesetzt umgesetzt, Tag für Tag bewahrt werden. Jeder einzelne, jeder Bürger, jeder Politiker ist Wächter des Friedens. Es liegt in unserer Hand, dieses Wissen um die Verantwortung für den Frieden den kommenden Generationen weiterzugeben. Es so weiterzugeben, daß sie auch Bewahrer des Friedens bleiben wollen.“
Da muß was in den folgenden Jahrzehnten ja (un-)wohl gründlich schief gelaufen sein. Selten wurde mir der Begriff der ‚feindlichen Übernahme‘ klarer vermittelt. Da brauche ich nicht einmal auf die heutige Parteifreundin des ehemaligen Chefs des Auswärtigen Amtes (zu des letzten deutschen Friedensnobelpreisträgers Zeiten) zu verweisen. Aber auch so manche ‚Auslassung‘ von den Autoren eines der gesammelten Referate zum o.g. Thema verweisen über den Tag hinaus. Als Vertreter der Historiker-Zunft tritt da ein L.Burchardt auf zur ‚Geschichte der Weltkriege als Mahnung zum Frieden‘. Konstatiere: Was waren das noch für Zeiten damals alles in allem. Wenn ich mir stattdessen heutige ‚AA-Handreichungen‘ so dagegen halte und/oder Sprechblasen der immer noch geschäftsführend im Amte befindlichen vermeintlich ‚vom Völkerrecht her kommenden‘ zuführe, sind depressive Verstimmungen beri mir nicht zu vermeiden.
Bedingungslose Kapitulation vor Zeitenwenden zwischenzeitlich nicht nur bei den Gelben, den Grünen – nein – selbst bei den Sozialdemokraten, obwohl mit Ruhm bzgl. Frieden bekleckert haben die sich ja so gut wie nie. Vielleicht gerade mal in den vier Jahren ‚Ostpolitik‘ von Willy B. Da es zwischenzeitlich in der inflationären Größenordnung ‚Milliarden‘ (demnächst wohl in Billionen) zu rechnen angeraten scheint – weil es besser aussieht, so wie bei Sondervermögen aller Art – Willy’s Sekunden im Amte, die Nächte nicht herausgerechnet, schlappe 126 Milliarden, das ist doch was. Aber ansonsten waren die Freunde des ‚Stahlhelms‘ selten friedensbesoffen in den letzen hundert Jahren und ein paar Zerquetschten.
Aber immerhin, ein ‚Referat‘ in der o.g. Broschüre stammt von einem SPD-Mitglied, einem zumindestt ehemaligen kurzzeitigen (zwischen 1960 und 1980), aber immerhin. Thomas Ellwein sein Name, wie Wiki vermeldet „…u. a. fungierte er als Gründungsdirektor des Sozialwissenschaftlichen Instituts der Bundeswehr und als Gründungspräsident der Hochschule der Bundeswehr Hamburg….“, jene Hochschule, die heute unter dem Namen ‚Helmut Schmidt‘ zu firmieren pflegt, einem jener SPD-Altvorderen, der laut einer Biographie auch mal gerne Partei-Grußadressen an die HIAG loszuschicken fähig, bereit und in der Lage war.
Ellwein, ein wahrer Experte seiner Zeit wie es aussieht, was auch gerne bei Qualitätsmedien akzeptiert wurde: „In den 1960er und 1970er Jahren war Ellwein auch politischer Kommentator des ZDF und Funkkommentator des Bayerischen Rundfunks.“ Donnerwetter, ein veritabler Pate also von unseren heutigen – immer rühriger auftretenden – staatsbediensteten Professoren à la Neitzel oder Masala neben reichlich anderen mutmaßlich Unterbezahlten, Herren wie Damen. Was einen Ellwein von den gerade Genannten unterscheidet? Da will ich besser mal auf eine der Ellwein’schen Verlautbarungen im Rahmen seines Referats verweisen. „Hitler kündigte an: ‚Deutschland wird entweder Weltmacht oder überhaupt nicht sein‘, Himmler ergänzte: ‚Das, was Deutschland in der Zukunft vor sich hat, ist entweder das großgermanische Imperium oder das Nichts‘. Solche ‚Entweder-oder-Haltung‘ oder auch ‚Alles-oder-nichts-Haltung ‚ ist von Generationen in Deutschland angenommen, zumindest aber bewundert worden.“ Was wird das Drehbuch für feuchte Träume bei den Keksperten und Kekspertinnen da wohl vorgegeben haben?
So versteht man, wenn man es richtig besieht, auch viel besser, wenn unser Kanzelnde-in-spe zu behaupten müssen glaubt: ‚Deutschland ist wieder da!‘